Sonntag, 20. Oktober 2013

Streifzug

Es gibt einen Ort in Cuenca, den ich immer wieder mit Freude aufsuche - der Weg entlang des Rio Tomebamba, der als einer von drei Flussen die Stadt kreuzt. In regelmäßigen Abständen spannen sich Brücken, die im Dunklen beleuchtet werden, über das muntere Rauschen des Wassers. Gepflegte Grünflächen und Schatten spendende Bäume säumen das Ufer, das mit vereinzelt antreffenden Sitzgelegenheiten zum Ausruhen einlädt. Obgleich ich mich im Zentrum der Stadt befinde, bildet der Weg eine Oase der Erholung - verstärkt noch durch die Häuserfront, die die andere Seite des Gehweges begrenzt; Häuser, denen man die Jahre bereits ansieht, aber mit reicher Front, schmuckvollen Stuck und Balkonen aus Holz ihren Charme bewahrt haben. Mitunter (vor allem am Wochenende) trifft man auf Menschen, die ihre Wäsche im Fluss waschen und sie anschließend - einem bunten Farbenmosaik gleichend - in der Wiese ausbreiten. 
 
Auf meinen Spaziergängen treffe ich auch immer wieder auf Straßenkünstler: Während eine Autokolonne die rote Ampelphase ausharrt, stellen sich diese in der Straßenmitte in Position und vollführen Kunststücke mit jonglierenden Bällen, Kegeln oder brennenden Fackeln. Da nimmt man die Warterei im Auto doch gerne oder zumindest lieber in Kauf, oder?

Eines Abends, auf dem Heimweg nach einem Restaurantbesuch, überrascht mich Cuenca mit einer weiteren Besonderheit: Nächtliche Dunkelheit, Kälte und Müdigkeit lassen mich sehnsüchtig an die wohlige Wärme eines Bettes denken, als wir plötzlich einen taghell erleuchteten Park queren. Dort ist von Müdigkeit keine Spur zu entdecken - während ich Sportmöglichkeiten in der Stadt zuvor nicht richtig wahrgenommen habe, tummeln sich nun eine Unzahl Bewegungsbegeisterter in eben jenem Park; die öffentlichen Fitnessgeräte in Anspruch nehmend, die den Park umrundende Laufbahn entlang joggend oder an der "bailoterapia" (bailar - tanzen; kostenloses Programm in ganz Ecuador) teilnehmend. Doch nicht nur im Park, auch entlang des Flusses Tomebamba findet sich alle dutzend Meter eine Gruppe Sportwütiger, die entweder laufen oder sich, den Anweisungen eines Trainers folgend, in gymnastischen Verrenkungen üben.

Apropos Parks - davon besitzt Cuenca etliche und von denen ich bisher nur einen Bruchteil kennen lernen durfte. Der flächenmäßig größte nennt sich „El Paraiso“ und lädt mit einer ausschweifenden Grünfläche, einem Teich und Spielplätzen zum Verweilen ein. Ein besonders belebter befindet sich im Zentrum, gegenüber der Catedral Nueva (siehe vorvorherigen Post), der bei all dem Trubel neugierigen Augen keine Ruhe lässt ...

 
 



 

 
Foto von (und mit) Steffi

 
Wie man meinem Bericht entnehmen kann, bin ich von Cuenca wahrlich begeistert. Nun heißt es aber erstmals Abschied nehmen ...



Ankunft im Projekt – Arbeitsbeginn

Street Art

 








 
 
 

Dienstag, 8. Oktober 2013

Cuenca

Nach neunstündiger Fahrt, wenig Schlaf und einem im Hintergrund laufenden Romantikstreifen rollt der Bus durch ein frühmorgendliches Cuenca. Meine zukünftige Anlaufstelle bezüglich jederlei Belangen den Freiwilligeneinsatz betreffend und Heimat während der kommenden Tage. Die Hauptstadt der Provinz Azuay liegt südlich von Quito und ebenfalls in der Sierra, ist mit etwa 2500m jedoch nicht ganz so hoch gelegen.
 
Zeit zu verschnaufen gibt es keine! Gefrühstückt wird noch am Ankunftstag in Pastoral Social, das in Verbindung mit der Caritas in Österreich steht, in Beisein der Koordinatorin der Freiwilligenarbeit, die ich nach regem E-Mail-Verkehr nun endlich persönlich lernen darf. Bevor ich jedoch endgültig in das Projekt und die Gastfamilie eingeführt werde, erwartet mich erstmals ein Spanischkurs - vom 26. bis 30. August, vier Stunden täglich. Die Sprachschule liegt an einem belebten und chaotischen Marktplatz im Herzen Cuencas, der neugierigen Augen (wie die meinen) keine Ruhe lässt - kann man es mir also verübeln, wenn sie mitunter aus dem Fenster, statt auf die Mitschrift gerichtet sind? [siehe ersten beiden Fotos] Am Ende eines jeden Kurstages ist mein Kopf jedoch am Rauchen und Platzen - in Eiltempo nehmen wir die gesamte Grundgrammatik durch und mir kommt einmal mehr Zweifel, ob und wie ich hier in Zukunft die sprachliche Herausforderung (abgesehen von etlichen anderen) werde meistern können ...

 
 
 
 
Das Wenige an Freizeit wird genützt, um mir ein (erstes) Bild von der Stadt zu machen. Welche Worte mir bei Nennung der Stadt augenblicklich in den Sinn kommen: Cuenca ist ein gutes Stück überschaubarer und ruhiger als Quito und sehr sauber; irgendwie elegant, erhaben, ohne dabei jedoch protzig zu wirken, und kulturträchtig. Kirchen. Plätze. Parks. - Um die Mehrheit meiner Aufenthaltsorte festzuhalten.

Einquartiert bin ich in einer der beiden Unterkünfte, die uns Freiwilligen hier kostengünstig zur Verfügung stehen. In unmittelbarer Nähe der Sprachschule und auf unserem Heimweg gelegen, bietet sich mir die Gelegenheit, erste ecuadorianische Markerfahrung zu sammeln. Die Fleischabteilung quere ich (meinem Magen zuliebe) zwar mit schnellen Schritten, dafür weile ich umso länger in der Obst- und Gemüseabteilung. Wahrlich, ich könnte stundenlang mit der Kamera in der Hand durch die Gänge schlendern, hier und dort kostend und die routinierten Handgriffe der Händler und Händlerinnen beobachten, wenn sie eine Frucht in der Hand wiegen, Säcke befüllen oder nach einem reifen Stück auf der Spitze einer Obstpyramide klängen. Der Weg zu meinem Quartier führt mich auch an einigen der unzähligen kleinen Panaderias (Bäckerei) vorbei, aus denen ständig köstlicher Backduft auf die Straße weht. Nicht zu vergessen die vollgestopften Tiendas (Geschäft), die an jeder Straßenecke zu finden sind und in denen sich von Waschmittel über Eis bis hin zu Marmelade scheinbar alles an die Decke stapelt. Interessierte Blicke werfe ich auch in eine Werkstatt, in der Panamahüte hergestellt werden - von meiner Spanischprofessorin erfahre ich, dass es die Arbeitsstätte eines international bekannten (und mittlerweile verstorbenen) Herstellers ist. Apropos, Panamahüte stammen nicht wie der Name vermuten lässt aus Panama, sondern aus Ecuador. 

 
 
 
Verlockender Blumenduft neben der Spanischschule.
 
 
Catedral Nueva im historischen Zentrum Cuencas ...

 
… mit einer kuppelgesäumten Hinteransicht.
 
 
 
 
 
 
 
Eine Kirche gegenüber meiner Unterkunft.
 


 
 
 Ausblick: Streifzug durch Cuenca

Dienstag, 1. Oktober 2013

Und Umgebung

Eines ist gewiss: Während des Busfahrens kommt bei mir nie Langeweile auf. Seien es Musiker, die während der Fahrt mit Gitarrenklänge für Unterhaltung sorgen, Händler, die in höchsten Tönen Wunder vollbringende Heilmittel anpreisen (und im Zweifelsfall mit abschreckenden Krankheitsfotos nachhelfen), oder Frauen, die mit Essen gefüllten Körben den Gang entlang schreiten bzw. (aufgrund der meist halsbrecherischen Fahrweise) wanken. Ganz zu schweigen von der Umgebung, die am Fenster vorbeizieht ... Und davon bekomme ich zum Glück etwas mehr zu sehen, als mich diverse Ausflüge außerhalb Quitos führen:

Hinter der Bezeichnung Mitad del Mundo - "die Mitte der Welt" - verbirgt sich eine monumentale Steinsäule mit integrierter  Aussichtsplattform, um die herum ein künstliches (Tourismus-)Dorf entstanden ist. Zugegebenermaßen klang es für mich auf den ersten Blick wenig reizbar. Dort jedoch auf der gelb eingezeichneten Äquatorlinie entlang zu balancieren [siehe Foto], kam einem unvergesslichen Gefühl gleich. Allzu oft ist die Möglichkeit ja nicht gegeben! Zeitgleich fand ein Auftritt einer Gruppe Musiker statt, die besonders in der (Tanz-)Animation wahre Ausdauer - und Rhythmusgefühl! - bewiesen. Am selbigen Abend komme ich auch in den Genuss eines interessanten Gespräches mit einer im Hostal wohnenden venezolanischen Familie, während diese mit der Zubereitung traditioneller Arepas (runde Maisfladen; nur zu empfehlen) beschäftigt ist.
 
Foto von Steffi
 
Der Ort Otavalo liegt nördlich von Quito und lockt mich aufgrund seines Kunsthandwerkmarktes. Die  Otavalenos zählen nicht grundlos zu den wirtschaftlich erfolgreichsten Indigenen des Landes: In beinahe jeder Stadt Ecuadors sind sie mit zumindest einem Laden oder Stand vertreten und exportieren auch Ware ins Ausland. Während es täglich die Möglichkeit gibt, den Markt zu besuchen, ist jener am Samstag der größte und am meisten besuchte. Der Platz im Zentrum des Dorfes ist reich bestückt: Die Holzbalken der Stände biegen sich unter Bergen an Taschen, Tücher und Decken. Auf Kleiderbügeln reiht sich eine Farbenpracht an Ponchos und Wollpullovern und die zum Verkauf ausgebreiteten (Wand-)Teppiche gleichen mit ihren landestypischen Motiven und Mustern einer Ausstellung in einer Kunstgalerie. Mein Staunen setzt sich fort, als ich entlang der Tische schlendere, auf denen sich Schmuck und Skulpturen aus Stein oder Holz reihen. Ich muss nur einen flüchtigen Blick auf einen Gegenstand werden - schon steht ein/eine VerkäuferIn an meiner Seite, mit zwanzig verschiedenen Ausfertigungen jenes Stückes. Gleichzeitig bleiben sie den Touristen gegenüber immer herzlich und aufgeschlossen und, was den Markt in meinen Augen noch auszeichnet, ist die wohltuende Ruhe - es gibt kein Geschrei, kein Gezeter, keinen Lärm. Ich selbst verlasse den Ort mit einer Tasche und Wollsocken - früh genug würde ich erfahren, welch ein Gewinn dieses Kleidungsstück hier für mich darstellt! Wir lassen den Tag in einem Restaurant ausklingen, dessen Dachterrasse einen Rundum-Blick über das nächtliche Lichtermeer Quitos bietet.
Ecuador verfügt über eine Vielzahl vulkanisch gespeister Thermen - eine davon nennt sich Papajactta. Wie man es schafft, für eine Strecke, die normalerweise in zwei Stunden zu bewältigen ist, doppelt so lange benötigt: Man fährt mit vier verschiedenen Bussen, missachtet den Rat einer Einheimischen, ist ungeduldig und steht eine knappe halbe Stunde am Rande einer vierspurigen Straße, wo man zwischen Abgas- und Staubwolke wählen kann (Oder auch nicht.). Unser vierter und schlussendlich richtiger Bus schlängelt sich eine unbefestigte Straße beständig aufwärts (Als hätten wir in letzter Zeit nicht schon genug Höhenluft geschnuppert inhaliert!) und als es schließlich auch noch zu regnen beginnt und der Nebel von allen Seiten gegen die Fensterscheiben drückt, kommt mir nicht nur einmal der Gedanke: "Einen halben Meter zur Seite und wir er- und höchstwahrscheinlich nicht überleben einen Fall in die Tiefe." Bei einer unscheinbaren Häuseransammlung nehmen wir ein Taxi, das uns einen genauso unscheinbaren Weg zu besagten Heilbad führt. Am Eingang begrüßt uns ein mit Haube und Handschuhen ausstaffierter Mann in Daunenjacke - die Aussicht gleich in Bikini zu schlüpfen ist folglich weniger verlockend, als vielmehr Gänsehaut auslösend. Entgegen aller Anfangsschwierigkeiten entpuppt sich der Ausflug jedoch als unvergleichliches und insbesondere entspannendes Erlebnis. Die Anlage selbst besteht aus mehreren Becken, die sich durch ihren Wärmegrad unterscheiden - eines ist sogar derart heiß, dass ich mich nur in die Nähe der sprudelnden Quelle setzen kann und danach im immer wieder einsetzenden Nieselregen Abkühlung suche. Im Laufe des Nachmittags wird der Nebel dichter und schließt sich wie ein Kessel über uns. Nach einigen Metern lösen sich die umliegenden Wälder im weißen Nichts auf und mit dem im Hintergrund unsichtbar rauschenden Fluss meine ich, mich in einer völlig anderen - eigenen - Welt zu befinden. Beim Rückweg holt mich wohl oder übel abermals die Kälte ein, doch der Bus lässt auf sich warten ... In einem an der gegenüberliegenden Straßenseite parkenden Lastwagen türmt sich eine Unzahl an Früchten und Gemüsesorten bis an die Decke. Hier einen Überblick zu bewahren, würde mich schwer fallen!
Am Stadtrand Quitos befindet eine Seilbahn – teleferico -, die mich bereits seit meiner Ankunft reizt, aber derart hoch liegt, dass ich meinem Körper vorsorglich etwas Eingewöhnungsphase zugesprochen habe. Die Bahn hält auf knapp 4000m Höhe und von dort ist mir ein phänomenaler Ausblick vergönnt [siehe Fotos]. Flankiert von Berghängen erstreckt sich die Hauptstadt weit von Nord nach Süd. Am Horizont bauschen sich Wolkentürme über Berggipfel und es ist auf einmal empfindlich kalt. Am Bergrücken entlang, gehe – bzw. keuche - ich einige hundert Meter weiter hinauf, wo ich mich dann im geschützten Hang ins wogende hüfthohe Gras fallen lasse.


 
 

 
Ausblick: Weiterreise – Sprachkurs in Cuenca