Sonntag, 24. November 2013

Dia del Abuelito

Neben Mutter- und Vatertag wird (unter anderem) in Ecuador der "Dia del Adulto Mayor" bzw. "Dia del Abuelo" gefeiert. Und da die Stiftung "Santa Maria de la Esperanza", in der ich tätig bin, über dreißig Abuelitos beherbergt, kommt diesem Tag natürlich eine besondere Bedeutung bei ...
 
Anlässlich dessen will ich die Abuelitos mit selbstgebackenen Keksen überraschen. Als ich jedoch das Rezept meiner Oma in den Händen halte und alle Zutaten beisammen habe, werde ich erstmals vor einigen Schwierigkeiten gestellt: In der Küche des Hauses gibt es (auf den ersten Blick) weder Ausstechformen, eine Küchenwaage, ein geeignetes Ofenblech, noch eine Unterlage zum Auswalken ... Mit etwas Kreativität lassen sich die Hindernisse jedoch umgehen; "gewogen" wird beispielsweise einfach provisorisch mit Löffeln und Schüsseln. Und da Marlene und ich die fertigen Plätzchen schlussendlich in Sicherheit bringen müssen, da immer mehr Familienmitglieder hinzu stoßen, um zu kosten, nehme ich an, dass sie - für mein erstes Mal - recht gut gelungen sind. (Trotz unseres "Versteckes" fehlen am nächsten Morgen ein dutzend Kekse. Haha.)

 
 
Die Eier stammen übrigens von Hühnern, die im angrenzenden Garten hausen.




 
... Fehlt lediglich der Staubzucker.
 
 
Den Auftakt bildet eine (verregnete) Prozession mit musikalischer Begleitung; ausgehend von der Fundacion durch die Gassen Chordelegs bis hin zum Hauptlatz. Anschließend finden sich die Abuelitos der Fundacion und jene anderer Gemeinschaften im Nebengebäude der Kirche zusammen, wo der Priester des Dorfes einige Worte spricht und die Abuelitos Rätseln, Anekdoten, Lieder etc. zum Besten geben. Um elf Uhr wohnen wir der Messe bei und danach begeben sich alle zurück in die Fundacion. Dort gibt es Mittagessen und in der Sporthalle des Colegios werden traditionelle Tänze dargeboten. Auch die Abuelitos der Fundacion haben etwas vorbereitet - mit Reifen wird eine kleine Choreographie aufgeführt.
 
 

 
 
 

 
 
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Meine Gastmutter (die mir zehn Jahren Altersunterschied
mehr Schwester als Mutter ist) und ich bei einer Hochzeit.


[Mein im letzten Post angekündigtes Vorhaben "Gefilmt" scheiterte leider an der Internetverbindung. Entschuldigt!]

 
Ausblick: Arbeit im September - Resümee


 
 

Samstag, 16. November 2013

Gefeiert

Zu Ehren des "Señor de los Milagros", dem Schutzpatron Chordelegs, finden alljährlich im September Festlichkeiten statt, die sich über vier Tage erstrecken und Schaulustige aus ganz Ecuador anlocken. (Auch wenn ich mir hab sagen lassen, dass die Zahl der Besucher dieses Jahr vergleichsweise gering war.) Neben einem religiösen Programm, im Rahmen dessen eine Messe mit anschließender Prozession den Höhepunkt darstellt, gibt es vieles mehr zu besuchen und bestaunen: Jeden Abend werden musikalische und tänzerische Darbietungen veranstaltet; unter anderem von einer aus Uruguay stammenden Gruppe. "Planta de la Luz" nennt sich ein Umzug, in der ein mannshohes Christus-Kreuz, begleitet von einer blinkenden und hupenden Autoschlange, in die Kirche Chordelegs transportiert wird. Und von der Dachterrasse eines Familienmitgliedes fiebern wir bei zwei Fußball-Partien mit. (Apropos: Ecuador esta en el mundial de Brasil!) Meinen persönlichen Höhepunkt stellt jedoch das eines Nachts veranstaltete Lichterschauspiel dar: Den Auftakt bilden Globen aus Papier, die in den nachtschwarzen Himmel entlassen werden. Anschließend - das wohl Merkwürdigste, das mir bisher untergekommen ist - wird einem Freiwilligen (in der Regel männlich, in der Regel betrunken) eine Kuh-Attrappe, die mit allerlei Feuerwerken bestückt ist, auf den Kopf fixiert. Zischend, rauchend und an allen Enden Funken sprühend, jagt er dann über den Platz. Ein Wunder, dass dabei noch kein gröberer Unfall passiert ist! Von mir schon seit Tagen entgegengefiebert: die Entzündung des "castillo" (zu Deutsch Schloss). Dabei verwandelt sich ein Gerüst aus Draht (ähnlich wie die oben erwähnte Kuh-Attrappe, nur etliche Male größer) in ein in Regenbogenfarben explodierendes ... Etwas. Nach Stunden in der Kälte - und ich mehr Eiszapfen als Mensch gleiche  - werden wir noch mit einem abschließenden Feuerwerk belohnt. Und was für eines! Ein vergleichbares Spektakel habe ich noch nie gesehen. Ohne Pause wird eine Rakete nach der anderen abgeschossen; mir bleibt nicht einmal Zeit zu blinzeln, so viel ereignet sich am plötzlich taghell erleuchteten Himmel. Am darauffolgenden Tag lassen meine Familie und ich die Festtage in einem Restaurant ausklingen.



Marc Anthony - Vivir mi Vida
Gerade ganz groß in Ecuador. Erst letztens gab es ein Konzert in Cuenca. 

 
 
 
  Besagte Kuh.
 
 
 Das "castillo" in Naturzustand
bzw. als ich noch nicht wusste, was mich gleich erwartet ...
 

 
 


 
 
 
Ausblick: Videos

Montag, 11. November 2013

Familienleben

Es trifft sich, dass justament an meinem ersten Wochenende in meinem zukünftigen Heimatort ein Familientreffen stattfindet. An einem terrassenförmig angelegten Grundstück am Ufer eines Flusses kommen mehr als 150 Personen zusammen; um gemeinsam zu plaudern, Fußball zu spielen, kochen und - vor allem und insbesondere - zu essen. In Töpfen, deren Durchmesser sich auf einen Meter belaufen [siehe Foto; kein Witz], und mit vielen fleißigen (Frauen-)Händen wird zu Mittag gekocht und anschließend, als die Dämmerung einbricht, werden wahre Berge an Tortillas zubereitet.
 
Abgesehen von jenem einmal jährlich stattfindenden Großtreffen gibt es jeden Montag ein Familienessen mit rund 25 Personen. Gekocht und gespeist wird im Haus von Marlene und ihren Eltern (so zusagend "das Zentrum"); an die Küchentür gepinnt ist eine Liste mit den Namen der Köchinnen und jenen, die den Abwasch erledigen müssen - und das nimmt bei der Anzahl an Teller und Töpfen schon mal mehr Zeit in Anspruch ... Danach wird oft Karten gespielt oder geredet. Besonders gut daran gefällt mir, dass meine Familie diese Treffen nicht aufgrund irgendeines Anlasses (Geburtstag, Feiertag, etc.) wahrnimmt, sondern schlicht um des Zusammenkommen Willens.

Prinzipiell herrscht ununterbrochen ein Kommen und Gehen und die Haustüre steht bei jedem Wetter (!) und zu quasi jeder Tageszeit für Besuch offen. 
 
 
 
Ich und eine Cousine von Marlene.
 
 




 
 

Im Nachfolgenden möchte ich auf ein paar Punkte eingehen, die mir im täglichen Leben mit der Familie auffallen bzw. in Differenz zu dem mir Bekannten stehen. Dabei trifft es selbstverständlich nicht auf alle ecuadorianische Familien zu; eventuell ist es lediglich in meinem speziellen Umfeld so ...
 

* Begrüßungen - ich sage dutzende Male am Tag zur selben Person buena/os dias/tardes/noches - und Berührungen haben einen viel höheren Stellenwert.

* Kinder sprechen ihre Eltern nur mit Sie an. Prinzipiell wird die Sie-Form immer im Gespräch mit älteren Personen verwendet; es ist schlicht eine Frage des Respektes.

* Die meisten Frauen in meinem Alter haben Kinder und/oder sind verheiratet. Dass du dich mit sechszehn mit deinem ersten Freund verheiratest, ist keine Seltenheit.

* Besonders Mädchen werden sehr lange und sehr intensiv von ihren Eltern und vor allem ihrem Vater behütet.

* Machismo se escribe von "M" de mujer. Es sind die Frauen, die den Machismo entscheidend mitformen. In meiner Familie ist es nicht derart ausgeprägt, aber sind die Männer, die beim Essen bedient werden, die Verwunderung/Belustigung hervorrufen, wenn sie den Abwasch erledigen, etc.

* Mit dem Vater als Oberhaupt ist die Familienstruktur klar geregelt. (In meiner Familie verhält es sich auch hier anders, da eine Vaterfigur in diesem Sinne fehlt.)

* Gelebt wird quasi das ganze Leben in unmittelbarerer Nähe der Familie/Eltern - trifft das nicht zu, gibt es meist einen triftigen Grund (häufigstes Bsp.: Auswanderung in die USA).

* Alleine - "solito/a" - wird im Grunde nichts unternommen.



Ausblick: Feierlichkeiten

Sonntag, 3. November 2013

Ankunft

Projekt und Familie – zwei mich aufnehmende Institutionen, die mir vorab einiges an Nervosität und Herzflattern abverlangt haben. Wie wird sich meine Arbeit gestalten? Werde ich die sprachliche Herausforderung – neben all den anderen – meistern können? Wie gestaltet sich das tägliche Leben mit meiner zukünftigen Gastfamilie? … (Zugegebenermaßen, diese und ähnliche Fragen haben mir bereits zu Hause in Wien schlaflose Nächte beschert.) Doch es kommt, wie es kommen muss und meine Sorgen erweisen sich als gänzlich unbegründet – mehr noch (so viel darf bereits verraten werden), ich kann mir keine bessere Familie und kein besseres Projekt vorstellen. Doch alles der Reihe nach …

Mein Projekt trägt den Namen „Fundacion Santa Maria de la Esperanza“ und liegt eine knappe Autostunde von Cuenca entfernt. Jene Einrichtung verfügt über zwei Standorte: In Chordeleg liegt eine katholische Privatschule, die eine Vorschule, eine Volksschule, sowie ein Gymnasium umfasst, und in einem angrenzenden Gebäude befinden sich die Räumlichkeiten der alten Menschen. Im größeren Nachbarort Gualaceo gibt es einen Kindergarten, der Kleinkindern bis zum fünften Lebensjahr eine kostenlose Betreuung zusichert.

Nach meiner Ankunft erwartet mich eine erste Überraschung, mit der ich mich anfangs weniger anfreunden konnte, worüber ich aber mittlerweile mehr als glücklich bin: Ursprünglich war geplant, meine Arbeitszeit zwischen älteren Menschen und Kindern aufzuteilen, aber da diverse Gelder in der Stiftung fehlen, arbeite ich nun „Vollzeit“ mit den „abuelitos“ (abuelo/a = Großvater/mutter).

[Zu einem späteren Zeitpunkt werde ich näher auf meine/n Arbeitsalltag und –umgebung eingehen.]

 
Erster Arbeitstag: Montag, 2. September 2013
Arbeitszeiten: 9:00 – 16:00 Uhr, Montag bis Freitag
Unterzeichnung des Arbeitsvertrages: Mittwoch, 18. September 2013

 
Als Freiwillige/r wohnt man entweder in einer Gastfamilie oder direkt im Projekt (und nach den ersten drei Monaten ist es dann auch erlaubt, sich eine eigene Unterkunft zu mieten.) Ich gehöre zu ersterer Gruppe: Einen zehnminütigen Fußweg von der Fundacion entfernt, am Rande und anderen Ende des Dorfes liegt das Haus meiner Gastfamiliemutter, Marlene. Jene ist ebenfalls in der Fundacion tätig (administrative Tätigkeiten im Büro) und nimmt mich während meines Aufenthaltes großzügig auf. Marlene wohnt zusammen mit ihren Eltern und besitzt, wenn auch keine eigenen Kinder, so doch eine große, große Familie, die quasi allesamt in unmittelbarer Nähe wohnt – in Wohneinheiten im Erdgeschoss des Hauses, im Nebengebäude, in derselben Straße, um die Ecke, gegenüber, … Vor allem zu Beginn fällt es mir daher schwer, all die Namen meiner neuen Verwandten zu behalten. Mir selbst steht ein eigenes Zimmer zur Verfügung, in dem ich mich bereits nach erstmaligem Betreten wohl fühle.


Ausblick: Familienleben