Karneval.
Ein den Februar und März alles dominierende Thema. In Österreich war mir dieser
Verkleidungszirkus immer etwas zuwider. Hier in Ecuador gestaltet sich das
Ganze jedoch eine Spur anders …
Wasser
ist das Schlagwort schlechthin: Es wird mit Pistolen bespritzt, Bomben geworfen
und Flaschen (bzw. Eimer, wenn man besonderes Pech hat) übergossen. Und dabei
sind nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern alle Altersklassen betroffen. Da
heißt es dann also, wenn dir eine Gruppe mit Wasserkübeln entgegenkommt,
rechtzeitig die Straßenseite zu wechseln, sich vor vorbeirauschenden Autos und
Bussen mit geöffneten Scheiben in Acht zu nehmen und sich gewahr sein, dass
beim Passieren einer Häuserwand jeden Moment etwas von oben kommen könnte.
Dieser nasser Brauch ist im ganzen Land verbreitet, wenngleich im Hochland von
ganz anderen Umständen geprägt: Es pflegt in den Faschingswochen zu regnen und
mitunter empfindlich kalt zu werden …
Weitere
Schlagwörter: Mehl und Schaum; letzteres gibt es in Sprühdosen jeder
Größenordnung zu kaufen. Die Straßen verwandeln sich in Schaumbäder und der
süßliche Geruch lässt sich auch von den vermehrt auftretenden Regengüssen nicht
vertreiben.
Ob
man das alles nun mag oder nicht, drum herum kommt man sowieso nicht. Will man
sich also nicht einen Monat zu Hause verbarrikadieren, ist Humor gefragt – und
ein Vorrat an Plastiksäckchen, in die man zur Sicherheit Geld und Handy packen
sollte.
Die
(Vor-)Karnevalszeit verbringe ich im Dorf. In der Arbeit schmücke ich das
Wohnzimmer der Abuelitos mit Girlanden und selbstgebastelten Clowns. Zu meinem
Pech hat sich auch in die Fundacion eine Schaumkanone eingeschlichen … Und als
ich mit einem Wasserkrug zum Gegenschlag ausholen will, geht die Ladung
unbeabsichtigterweise direkt auf die religiösen Schwestern nieder.
Während
meine Gastfamilie anlässlich der Feiertage traditionsmäßig ein Schwein
schlachtet, ziehe ich die tierfreundlichere Variante vor: „El Carnaval de las
Flores y Frutas“ in Ambato. Die Provinzhauptstadt liegt in der Sierra, etwa auf
Wegmitte zwischen Cuenca und Quito. Jene andine Strecke ist unter der
Bezeichnung „ruta de los vulcanes“ (Vulkanstraße) bekannt,
als Namensgeber gilt Alexander von Humboldt. Und tatsächlich – bei Riobamba,
einer Stadt unweit von Ambato, bekommen wir erstmals den Chimborazo und den
schneebedeckten Bergrücken des Carihuairazo zu Gesicht.
Solche Naturgewalten lassen einem nicht kalt.
Ambato
selbst liegt in einem weitläufigen Kessel, begrenzt von Bergketten, um die sich
tiefhängende Wolken ballen, die nicht selten Regen mit sich tragen … Die Stadt,
die kaum über touristische Attraktivität verfügt, scheint in der Faschingszeit
wie ausgewechselt – die wenig verbleibenden Übernachtungsmöglichkeiten sind
überteuert, die Straßen mit Menschen bevölkert und es herrscht ununterbrochen
Feierstimmung.
Nach
unserer samstäglichen Ankunft erkunden wir in einem nächtlichen Spaziergang die
Stadt – Musik erschallt an jeder Ecke, Essensgeruch weht durch die Gassen,
Feuerwerke erhellen den Himmel, Straßenkomiker locken Schaulustige an … Um
Mitternacht beginnen die Vorbereitungen für den kommenden Tag: Das Zentrum wird
autofrei abgesperrt und Sitzgelegenheiten werden aufgestellt. Ich kann es erst
gar nicht glauben, doch, um sich die besten Plätze zu sichern, übernachten
viele draußen, auf Klappstühlen, eingemummelt in Decken …
Auch
wenn wir am nächsten Morgen früh aufstehen, sind die Gehsteige bereits von
Menschenmassen besetzt und wir
bekommen es glatt mit der Angst zu tun, den legendären Umzug aus reiner
Sichtbeschränkung zu verpassen … Mit mehr Glück als Verstand ergattern wir
schließlich doch noch ein freies Fleckchen Asphalt, quasi „front row“. Und ist es nachts so kalt, dass man sich
über dazugesellenden Schnee nicht wundern würde, brennt die Sonne zur
Mittagsstunde derart vom Himmel, dass man sowohl auf der bloßen Straße als auch
auf meiner Kopfhaut Spiegeleier braten könnte. Sonnenbrand ahoi! (Diese extremen Wetterzustände sind ein typisches
Phänomen in Ecuador bzw. der Sierra.)
All
das vermag jedoch in keinster Weise den dargebotenen Umzug zu trüben, der zu
Recht ald der berühmteste des Landes gilt: Zwei Stunden lang zieht an mir ein
buntes Spektakel an Tänzern, Akrobaten, Musikern und Schönheitsköniginnen
vorbei. Die riesenhaften Gefährte wurden in Kleinarbeit mit Früchten, Gemüse,
Brot oder schlicht wiederverwertbaren Materialien, wie Plastikflaschen,
ausgestaltet und an der Vielfalt an Kostümen kann man sich gar nicht genug
sattsehen. Die Prozession endet mit Besuchern anderer Länder, wie die Ukraine
oder Niederlande, und der Darbietung landestypischer Tänze.
Danach
beginnt ein Spektakel sondergleichen – die breite Hauptstraße bevölkert eine
Flut an Feiernden, die eine wahre Schaumschlacht
einläuten. Nichts und niemand wird verschont! Und wenn sich zwei Gruppen,
ausgestattet mit Schaumkanonen, begegnen, drängt sich bei mir automatisch
dieser Wer-Ist-Schneller-Beim-Zücken-Der-Waffe-Westernvergleich auf.
Im
Anschluss daran begeben wir uns auf eine erhöhte Ansiedlung am Stadtrand, wo
wir einem Eselwettrennen, einem orchesterbegleiteten Faschingsumzug und einem
„Mastklettern“ beiwohnen. Was es mit zuletzt genannten Brauch auf sich hat? Am
Ende eines meterhohen Baumstammes baumeln Geschenke, die von jedem Wagemutigen
erstanden werden können. Auftretende Schwierigkeiten: Der Mast ist mit
reichlich Fett bestrichen und ohne jegliche hilfestellende Ein- und Auskerbung.
beste Verkleidung des Tages
sogar in der Markthalle spürt man die
Feierstimmung
Am
Montag verabschieden wir uns mit einem letzten Abstecher ins Zentrum. Dort
herrscht ein farbenfrohes Gewusel – Stimmengewirr vermischt sich mit den
unterschiedlichsten Musiktönen, Tänzer gruppieren sich zu kleinen
Choreographien, Magier bieten ihre Künste neben jenen von Portraitmalern an,
der Parkzaun gleicht einer Galerie, vollgestellt mit Gemälden und
Kunsthandwerken …
Ausblick:
zu Füßen eines Vulkans, Wasserfälle, Kraterlagune … Naturwunder!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen