Freitag, 20. Dezember 2013

Odyssee

Machala, die Hauptstadt der Provinz „El Oro“, wartet nicht unbedingt mit einem attraktiven Stadtbild auf: Mehrstöckige Wohnquadrate aus Beton trotzen jeglicher architektonischer Kreativität und breite Straßen zeichnen sich als Gitternetz auf dem Stadtplan ab. Nichtdestotrotz fällt auf, dass sich in jüngster Zeit einiges verändert hat – im Zentrum entstanden Grünflächen und Plätze, die zum Verweilen einladen. Dabei empfinde ich einen Park, der mit allerlei bunten Lichter- und Wasserspielen zum Verweilen einlädt, als besonders gelungen.




Dank Hugo, der von der Küsten kommt und Freunde in Machala hat, können wir die kommenden zwei Nächte bei einer Bekannten übernachten. Und da jene einen Projektor besitzt, wird Freitagnacht ganz entspannt zum Filmeschauen genützt. Oder vielleicht auch nicht ganz so entspannend … aufgrund der Kinoatmosphäre wirkt der Horrorfilm „El Conjuro“ nämlich gleich noch eine Spur angsteinflößender.

Am Tag darauf (wie immer später als geplant) startet unser Vorhaben „Puyango – versteinerter Wald“ – ein Ort, der im Reiseführer mein Interesse geweckt hat und den Hugo aus seiner Kindheit kennt.

Im Bus steuern wir das 60km entfernte Städtchen Arenillas an. Dort haben wir Glück im Unglück – der Anschlussbus ist zwar vollbesetzt, doch wir dürfen uns in die Fahrerkabine setzen. Eingequetscht zwischen Chauffeur und Christina habe ich eine einwandfreie Aussicht. Und da sich die Straße kurvenreich windet und nicht im besten Zustand ist, kann ich jene auch eine Zeit lang genießen …


 
 
An der Grenze zur Provinz „Loja“, die besser bewacht wird, als so manche Landesgrenze, die ich kenne, werden wir abgesetzt. Hinter uns die Serpentinenstraße nach Arenillas, vor uns der davontuckernde Bus und wir, im Nirgendwo, am Straßenrand … Zumindest zeugt ein eingestaubtes Plakat von der Existenz des steinernen Waldes. Wir biegen in eine unbefestigte Straße ein und folgen einem Flusslauf.  Zum Glück holt uns nach einiger Zeit ein Auto ein, dessen Fahrer uns auf der Ladefläche mitnimmt.  Endlich erreichen wir Puyango. Und schrieb ich kurz zuvor noch vom Nirgendwo, so ist das hier das sprichwörtliche Nirgendwo. Puyango setzt sich auch einer Handvoll Häuser, die sich entlang einer einzelnen Straße gruppiert, zusammen. Auf der Terrasse eines Hauses wird Billard gespielt, in einer Hängematte döst ein Mann, der seinen Sombrero bis in die Stirn gezogen hat, und Hühner gackern im Straßenstaub. Und so wie wir drei angestarrt werden, kommt mir mittlerweile einmal mehr der Gedanke, dass sich hier her nicht oft Touristen verirren …

An einem Informationsschalter mit angrenzendem kleinem Museum bezahlen wir den Eintritt für einen Dollar. Und während unser Führer gemütlich im Auto an uns vorbeibraust und die Besichtigung frühzeitig ohne uns startet, legen wir die zweieinhalb Kilometer bis zum Parkeingang zu Fuß zurück. Mittlerweile hat uns auch die Mittagshitze eingeholt, sodass wir, trotz des schützenden Blätterdaches, ganz schön ins Schwitzen kommen.

Nun sind wir also tatsächlich angekommen; in Puyango, einer der größten versteinerten Wälder der Welt. Und dabei versetzen mich nicht nur die Exemplare versteinerter Baumstämme in Staunen, sondern auch die Baumriesen, nach denen ich mir meinen Hals verrenke. Wahnsinn, wenn man sich die immense Jahresspanne jener Naturwunder vor Augen hält …


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Unserem Guide, der auf einen Abbruch unserer Erkundung drängt, haben wir es zu verdanken, dass wir früher als gewollt aufbrechen ... (Zwischenbilanz: 4 Stunden Hinfahrt, 1 1/2 Stunden Puyango) Zurück im Dorf machen wir uns zu Fuß auf den Weg zur Provinzgrenze. Und dieses Mal werden wir gleich zwei Mal vom Pech verfolgt – uns begegnet kein Auto und wir verpassen den letzten Bus nach Arenillas um wenige Minuten. Und da es bereits zu dämmern beginnt und wir noch eine weite Heimreise vor uns haben, stoppen wir kurzerhand einen LKW-Fahrer. Die andere Hälfte des Rückweges legen wir dann im Bus zurück und erreichen um zehn Uhr nachts Machala. Müde, hungrig, aber glücklich. Was für eine Odyssee!

Auch wenn am Montag eine neue Arbeitswoche startet, lassen wir es uns nicht nehmen, sonntagfrüh einen Abstecher nach Huaquillas (Ein wahrer Zungenbrecher!) einzulegen. Jene eine Stunde von Machala entfernte Kleinstadt ist der Heimatort von Hugo und liegt an der Grenze zu Peru. Dort angekommen schlendern wir durch das von Menschen wimmelnde Marktgeschehen des Zentrums. Alles Nasenlang trifft man auf Männer mit schwarzen abgenutzten Aktenkoffern, die zu den unterschiedlichsten Wechselkursen ecuadorianischen in peruanisches Geld (und umgekehrt) wechseln. Neben Kleidung, Elektronikartikeln und all das, was das Herz noch begehrt, wird natürlich auch nicht auf den Magen vergessen – warm, kalt, süß, salzig, bitter, klebrig, geschmolzen, gekühlt, frittiert … jegliches Essen wird einem hier von allen Seiten unter die Nase gehalten. Ich stolpere regelrecht hinter Christina und Hugo her  - das chaotische Treiben, die Menschenmengen und die unterschiedlichsten Geräusche sind einfach nicht für ein einzelnes Augen- und Ohrenpaar bestimmt. Und dann überschreiten wir zu Fuß die Grenze. Was für ein schöner Augenblick! (Auch wenn es der Geruch des verschmutzten Grenzflusses in sich hat.) Für eine halbe Stunde in Peru. Einfach mal so.

 


 

Ausblick: Gearbeitet im Oktober – Überblick


Freitag, 13. Dezember 2013

Gestrandet

Neben monatlich stattfindenden Unternehmungen, wird einmal jährlich ein großer Ausflug mit den Abuelitos der Fundacion organisiert. (Leider ausgenommen jene, die an einen Rollstuhl gebunden sind.) Ziel ist das an einem Strand gelegene Örtchen Bajo Alto, nördlich der Küstenstadt Machala. Um vier Uhr früh nachts verlassen zwei Reisebusse mit siebzig Abuelitos Chordeleg …

Machala nennt sich nicht umsonst das Bananenzentrum Ecuadors – bis an den Straßenrand brandet ein Meer an Stauden, nur unterbrochen von einzelnen Zufahrten zu Haziendas. Bajo Alto, das wir nach mehr als fünfstündiger Fahrt erreichen, entpuppt sich als ein unscheinbares Fischerdorf mit angrenzendem Strand, der aufgrund seiner trüben Wasserfarbe wenig einladend auf mich wirkt. (Wie wir im Nachhinein erfahren, ist hier Schwimmen aufgrund diverser Strömungen und dem Wasser innenwohnenden Bewohner nicht ganz ungefährlich …) Auch mit dem Wetter haben wir wenig Glück – der Himmel ist wolkenverhangen und die Sonne lässt sich den ganzen Tag über nicht blicken. Nichtsdestotrotz – was wieder einmal beweist, dass die Uhren am Äquator anders ticken – tragen einige einen Sonnenbrand davon.

All das kann meinen ersten ecuadorianischen Strandbesuch jedoch nicht trüben. Was bin ich glücklich, Meeresluft schnuppern zu dürfen!

Nach unserer Ankunft wird das Frühstück für die Abuelitos aufgetischt; und während in der Sierra zu Mittag und am Abend warm gegessen wird, ist es an der Costa üblich, bereits zum Frühstück Reis mit Fleisch und Beilagen zu verzehren. Anschließend wird die Gegend erkundet, entspannt, geplaudert, geschwommen … Von einem der Abuelitos lasse ich mir sagen, dass die drei Liter von ihm getrunkene Salzwasser äußerst gesund für den Magen seien – selbst testen, will ich es aber dann doch nicht. Mit zwei der ebenfalls in der Fundacion tätigen Praktikanten, (H)ugo und Faby, schlendere ich den Strand entlang, quere ein Mangroven-Wäldchen und spaziere durch das Dorf. Bevor wir schließlich am Nachmittag aufbrechen, gibt es noch für alle Versammelten ein Mittagessen.

An einer Tankstelle unweit Machala werden Hugo, Christina, die dritte im Bunde der Praktikanten, und ich abgesetzt – wir wollen die Chance nützen und den morgigen Samstag und Sonntag an der Küste verbringen.

[Wie ich im Nachhinein von Marlene, meiner Gastmutter, erfahren habe, erreichten sie mit großer Verspätung die Fundacion. Und damit keiner hungrig ins Bett muss, wurden kurzfristig über siebzig Hamburger und Cola gekauft und auf der Heimfahrt verzehrt. Mit ziemlicher Sicherheit das Geschäft des Jahres für den Budenbesitzer.]





 
Und am Tag darauf landen sie
im Kochtopf meiner Gastmutter.






 

 

Ausblick: Weiterreise - Machala und Umgebung

 

 

Montag, 9. Dezember 2013

Wochenende in Cuenca

Cuenca ist immer wieder einen Besuch wert; sei es unter der Woche nach der Arbeit oder für ein, zwei Übernachtungen am Wochenende.

Einquartiert in einem Hostal verbringe ich einen fußmarschintensiven Samstag, der mich quer durch die Stadt führt.

In einem urig kleinen Museum, das Geschäft und Fabrik vereint, werde ich in die Herstellung der berühmten Panama-Hüte eingeführt. Jene stammen nicht, wie der Name vermuten lässt, aus Panama, sondern haben ihren Ursprung in Ecuador. Je engmaschiger die Sombreros geflochten sind, desto größer der Arbeitsaufwand und damit einhergehende Preis; so ein Hut wird dann mitunter (in den USA oder Europa) für Millionen verkauft …






 
Fonseca - Eres mi Sueno 
  
„El Turi“ nennt sich ein Aussichtspunkt, der schon seit meiner Ankunft mein Interesse geweckt hat … Auf halben Weg dorthin quere ich die „Tres Puentes“, drei steinerne Brücken.
 
 
Hunderte von zu bezwingenden Treppenstufen lassen mich zwar schnaufen, doch als Belohnung winkt ein weitreichender Ausblick über ganz Cuenca. Und als die Dämmerung einbricht, schimmert mir das funkelnde Lichterschauspiel der Stadtbeleuchtung entgegen.
 
 
Tor nach Narnia
 
 
 
Ausblick: Strandausflug mit den Abuelitos      
[Nachtrag zum letzten Blogeintrag: Mittlerweile war ich ein weiteres Mal in Guayaquil; um drei Uhr nachts ging es los und noch am selben Tag wieder zurück. Marlene und Mutter hatten sich um ein Visum für die Vereinigten Staaten beworben (zwei Brüder/Söhne leben dort) und der Besuch in Guayaquil (wahlweise auch Quito) entscheidet über Ab- oder Zusage. Und da jenes Verfahren einem Glücksspiel gleicht, habe ich mich natürlich besonders gefreut, als die beiden die Bewilligung erhielten. Anschließend spazierten wir entlang des Malecons; und bei der vorherrschenden Hitze erschien die weihnachtlich geschmückte Uferpromenade und der überdimensionale Christbaum inklusive einer lebensgroßen Krippe ganz schön gewöhnungsbedürftig für mein weihnachtliches Empfinden … ]

Mittwoch, 4. Dezember 2013

Guayaquil

Für ein Wochenende an die Küste. Sonne tanken. … Dieser Verlockung gebe ich Mitte Oktober nach, als ich Guayaquil, der größten Stadt Ecuadors, einen Besuch abstatte. Zugegebenermaßen – dass mich hier die Personen mit „Viel Glück. Ich hoffe, du wirst nicht ausgeraubt.“ verabschieden, trägt nicht gerade zu meiner Beruhigung bei, hält mich aber auch nicht davon ab, an jenen feiertagsfreien Freitag im Terminal ein Busticket zu kaufen …

Einer Serpentinenstraße folgend, schlängelt sich der Bus zu Beginn beständig aufwärts und die empfindlich kalte Höhenluft lässt die nur wenige Stunden entfernte Ankunft in der brütenden Hitze der Großstadt beinahe unwirklich erscheinen … Wir durchqueren die unberührte Natur des Nationalparks „El Cajas“, dessen gebirgiges Landschaftsbild von Seen und Flüssen durchzogen ist. Am Wegesrand grasen Lamas und mit sicheren Tritt transportieren Pferde Brennholz und Proviant.

Mit einem röhrenden Keuchen nimmt der Bus die letzten Höhenmeter, bevor es schließlich bergab geht … Kurvenreich windet sich die Straße entlang felsiger Gebirgswände und während der Nationalpark von Braun- und Grautönen beherrscht wird, zeugen hier satte Grüntöne und Wälder von einer Vielfalt an Leben. Was mir darüber hinaus den Atem raubt, ist der Ausblick – meeresgleich schwappt eine bis an den Horizont reichende, dichte Wolkendecke gegen die Berghänge und lässt die aus dem Weiß ragenden Gipfeln, wie Trittsteine in einem Fluss erscheinen. Nebel kriecht über die Hänge, als wolle er sie verschlucken, und ich klebe mit der Nase an der Fensterscheibe, aus Angst, das unglaubliche Himmelsschauspiel könne sich jede Sekunde im Nichts auflösen.

Plötzlich bekomme ich eine uns knapp vor der nächsten Kurve erwartende Nebelwand zu Gesicht. Mit einmal mal, gleich einem Flugzeug, durchbrechen wir sie und befinden uns im Inneren der Wolke. Von allen Seiten drückt Nebel gegen die Scheibe und der Ausblick beschränkt sich auf wenige Meter. Zum Glück manövriert uns jedoch der Fahrer, ohne Schaden zu nehmen, hinaus und abermals hat sich das Landschaftsbild komplett verändert. Als hätte man mit dem Lineal eine Grenze gezogen, wird das Gebirge von einer weitreichenden Ebene, die nicht die kleinste Erhebung aufweist, abgelöst. Aufgrund der feuchtheißen Temperaturen entledige ich mich hastig meiner Jacke, die ich kurz zuvor noch bitter nötig hatte. Schilder weisen Wege zu den inmitten von Bananen- und Kakaoplantagen gelegenen Haziendas. Entlang des Weges reihen sich Stände, die mit einer Farbenpracht an Obst den Straßenstaub trotzen, und immer wieder steigen VerkäuferInnen hinzu, die über Ananas, Wassermelone, Eis, Schokolade bis hin zu frittierten Fleisch alles anbieten. Im schlammig braunen Wasser eines Flusses suchen die Menschen Abkühlung und waschen ihre Wäsche und die am Busfenster vorbeiziehenden Dörfer, die sich teilweise lediglich entlang einer einzelnen Hauptstraße gruppieren, zeugen von einer lebendigen Betriebsamkeit. Besonders eindrucksvoll erscheinen die gepflegten Reisfelder, die im Licht der Sonne grün schimmern.

Dieser plötzliche Wandel in … schlicht Allem lässt mich – ein weiteres Mal an diesem Tag – atemlos zurück. Schon jetzt ist mir klar, dass sich der Besuch in Guayaquil allein aufgrund dieser unvergesslichen Fahrt mehr als gelohnt hat.
 

Romeo Santos - Propuesta Indecente

Die Hafenstadt Guayaquil liegt nicht direkt am Meer, jedoch am Ufer des „Rio Guayas“ über den der Großteil der ecuadorianischen Importe und Exporte abgewickelt wird. Die im Schachbrettmuster angelegte Stadt erscheint auf meiner Taxifahrt vom Terminal (der dementsprechend groß ist; bei meiner Rückfahrt nehme ich beispielsweise einen Bus in einer der Obergeschosse des Gebäudes …) ins Zentrum wenig attraktiv. Nichtsdestotrotz üben die Hektik des Großstadttreibens, das Verkehrschaos und die Menschenmengen einen besonderen Reiz auf mich aus.

Am Tag meiner Ankunft bleibt mir nicht viel mehr Zeit, als eine Unterkunft zu suchen. Zufällig ist es just jener Freitag, wo Ecuador mit einer Fußballpartie seinen Einzug in die Weltmeisterschaft sichert, und dementsprechend ist jeder in der Stadt zu findende (öffentliche) Fernseher von einer mitfiebernden Menschenmenge umringt.

Der Samstag wird gänzlich der Stadterkundung gewidmet – den Tag ausnützend bin ich mehr als sechs Stunden, quasi nonstop, auf den Beinen. Mit der nachfolgenden Bildersammlung lade ich gerne ein, mit mir daran teilzuhaben:

 
 
 
"Parque de las Iguanas"
 
 
 
Straßenmarkt
 
 
 
 
 
Altstadt und Künstlerviertel
 
 
Ausblick auf den "Rio Guaya" und
die Uferpromenade "Malecon"
 
 
 
 
 
 
 
viele Treppenstufen zu steigen ...
 
 
Gemälde zeitgenössischer ecuadorianischer Maler
an einer Häuserwand ...
 
 
"Heute werde ich nicht arbeiten"
 
 
"Die Hände"
 
 
Auch wenn ich mich im Grunde nur im Stadtzentrum bewegt habe und bei Einbruch der Dunkelheit meine Unterkunft aufgesucht habe, ist doch ein besonderes Maß an Vorsicht geboten – vor allem alleine, vor allem als Frau, vor allem als AusländerIn. Anstrengend aufdringlich sind besonders die Männer; weit mehr noch, als beispielsweise in Quito oder Cuenca.

Am Sonntag trete ich die Heimreise an, wobei ich mich aufgrund der Busfahrt sogar darauf freuen kann … Weniger erfreulich ist da schon der Umstand, dass anstatt eines Leintuches, wieder drei Wolldecke, eine weitere Decke, mein Schlafsack und ein dicker Pyjama in meinem Bett auf mich warten.

 

Ausblick: Unterwegs in Cuenca