Dienstag, 13. Mai 2014

Weiterreise

Das Karnevalstreiben in Ambato hinter uns lassend [siehe vorheriger Blogeintrag], führt die Reise weiter nach Baños, nach wie vor im Hochland, wenngleich dem Amazonas nicht mehr fern. Die Sierra präsentiert sich uns in ihrer ganzen Pracht – naturbelassene Wälder, sattgrüne Wiesen, bewirtschaftete Felder … Wir folgen einem Flusslauf; ein schillerndes Band zu Füßen von sich in luftigen Höhen verlierenden Gebirgszügen. Weidende Kühe, Lasten tragende Esel und Ochsengespanne runden das idyllische Bild ab.
 
Der Anblick, der sich mir hinter der nächsten Biegung präsentiert, verursacht mir noch Wochen später eine Gänsehaut: der Vulkan Tungurahua; eine majestätische Naturgewalt, die mit ihrer unbarmherzigen Schönheit die Umgebung in den Schatten stellt. Jener Vulkan forderte bereits mehrere Evakuierungen der umliegenden Siedlungen heraus; im Zuge von Eruptionen und enormen Aschewolken (bemerkbar sogar im trauten Chordeleg!) kam es erst kürzlich zu einer erhöhten Alarmbereitschaft.
 
Baños, einer der Hauptattraktivitäten Ecuadors, wirbt mit dem Slogan „am Fuße des Vulkans leben“ – und tatsächlich, ohne zu übertreiben, liegt der Ort just an den Ausläufern des Tungurahua, der sich uns in den kommenden Tagen jedoch leider nur noch wolkenverhangen präsentiert. Während das Dorf auf der einen Seite von Berghängen begrenzt wird, zieht auf der anderen Seite der Fluss „Rio Verde“ eine natürliche Grenze. Vielleicht ist es den fehlenden Expansionsmöglichkeiten zuzuschreiben, dass Baños bis heute seinen natürlichen Charme behalten hat – kleine Häuser, ruhige Gassen, grüne Parks und Plätze laden zum Flanieren ein. Während die Natur mit einem vielfältigen Sportangebot lockt – von Wandern bis Kajaken ist alles dabei -, bieten ortsansässige Thermalbäder die ausgleichende Entspannung. Aufgrund seines einzigartigen Umfeldes, dem milden Klima und dieser Gelassenheit, die einem unmittelbar nach der Ankunft ergreift, erinnert mich Baños sehr an Vilcabamba. Bekannt ist   Baños auch für seine süßen Spezialitäten – ein Marktstand neben dem anderen wirbt mit Sirup, Nougat und Zuckerrohr (Cañar). Besonders typisch sind die so genannten „Alfeñique“; Cremeriegel, die in langen zähen Striemen so lange über einen Ast geschlagen werden, bis sie über die richtige Konsistenz verfügen. Muskeltraining der anderen Art!


 
 
 
 
 
Der Karneval hat uns übrigens noch nicht komplett losgelassen: Die Menschen, Autos und Straßen sind mit Schaum eingesprüht, Mehl eingestaubt und Eiern beworfen. Ein unvergesslich lustiger Faschingsaugenblick wird mir beschert, als wir im Bus unterwegs sind: Jener hält mit geöffneten Vordertüren am Straßenrand, als plötzlich drei Frauen aus einem Hauseingang treten und einen Eimer Wasser ins Businnere schütten. Ergebnis: Ein durchnässter Chauffeure und gebadete Passagiere. Reaktion: Einstimmiges Lachen. (Drängt sich bei mir automatisch die Frage auf, welche Handgreiflichkeiten Emotionen solch eine Aktion wohl in Wien hervorrufen würde …)
 
Wasserfälle – und davon nicht wenige – zählen zu den beliebtesten Ausflugszielen. Der „Rio Verde“ fließt durch eine breite Schlucht; beidseitig flankiert von Felswänden, die viel Platz und Möglichkeiten für Wassergefälle bieten. Mit dem Bus steuern wir unser erstes Ziel an – der Wasserfall „Paillon del Diablo“. Nach einem blätterverhangenen Abstieg führen Stufen, nass und rutschig, direkt neben den Wassermassen, die sich schäumend und wirbelnd in die Tiefe stürzen, hinauf. Teilweise verengt sich der steile Aufstieg zu einem Felstunnel, den man nur krabbelnd bezwingen kann. Platzangst vorprogrammiert! Und spätestens wenn man den Aussichtspunkt ganz oben verlässt, ist man durchnässt …


 
 
Über die Schlucht hinweg gestalten sich unzählige „Mutproben“ – in eine davon wage ich mich auf unserem Rückweg: Eine offene Mini-Gondel schaukelt in schwindelerregender Höhe auf einem Drahtseil und bietet einen tollen Ausblick auf zwei Wasserfälle.


 
 
 
 
 
 
 
 
Nach ein paar wunderschönen Tagen in Baños naht der Abschied von Hugo, mit dem ich bisher unterwegs war. Nun geht es alleine für mich weiter. Wirklich alleine jedoch nur für die nächsten zwei Stunden, die der Bus von Baños in die weiter nördlich gelegene Stadt Latacunga benötigt. Im dortigen Hostal lerne ich nämlich zwei Deutsche (ohne Scherz, die sind wirklich überall!) und einen Franzosen (wir unterhalten uns in einer konfusen Mischung aus Spanisch, Englisch und Deutsch) kennen. Sie alle sind Alleinreisende und auch wiederum nicht – kaum betrittst du einen Bus oder ein Hostal ist die nächste Bekanntschaft im Regelfall nicht fern.
 
Die Provinzhauptstadt Latacunga liegt an einem der weltweit höchsten aktiven Vulkane, dem Cotopaxi, der ebenfalls Namensgeber eines Nationalparks ist. Ich statte der Stadt, die über ein hübsches, aber unspektakuläres Zentrum verfügt, jedoch aufgrund eines anderen Naturwunders einen Besuch ab – die Laguna Quilotoa.
 
Die dreistündige Busfahrt dorthin bestreite ich in einem brechend vollen Bus, in dem ich, neben all den sich in Quechua unterhaltenden und mit Trachten und Sombreros bekleideten Einheimischen, ganz klar die einzige „extranjera“ bin. Die Straße führt beständig aufwärts, schlängelt sich durch eine hügelige Landschaft, die mehrheitlich der Landwirtschaft vorbehalten ist, durchbrochen von Schluchten und bedrohlich aufragende Felsgipfel. Bereits nach ein paar Minuten Fahrt breitet sich die gesamte Umgebung – ein weitläufiges Tal, in dem auch Latacunga angesiedelt ist – vor meinem Fenster aus.
 
Am Kratersee lebt eine Handvoll Indigener, die von der Landwirtschaft und einem kleinen touristischen Erlös leben. Ich selbst sehe plötzlich etwas blau aufblitzen und stolpere, so hastig drängt es mich, ein paar Holzstufen zu einer Plattform hinauf. Vor mir erstreckt sich eine smaragdblaue, spiegelglatte Wasserfläche, eingebettet in einem felsigen Kessel. In solch einer Höhe! Mit solch einer Wasserfarbe! In einer derartigen Größe! Ich kann meinen Blick nicht von diesem Naturschauspiel wenden. Über den Kraterrand, der teilweise steinig, teilweise mit robusten, der Kälte resistenten Pflanzen bewachsen ist, schwappen Wolken und verstärken die Mystik jenes Augenblickes. Und als wäre der atemberaubende Ausblick nicht schon genug, komme ich in den Genuss eines Ein-Mann-Konzertes, das ein Musiker mit seinem Cello abhält. Der Abstieg ist sandig und steil und am Seeufer wird Campen sowie Kajak Fahren angeboten. Für den Aufstieg gönne ich mir einen Eselsritt. Auf Wegmitte fallen die ersten Tropfen zu Boden und wie man mir berichtet, folgt hier das Wetter seinen eigenen Regeln – es ist möglich, dass es nur außerhalb regnet und der Krater selbst trocken bleibt, oder aber, dass es nur Innen regnet. Letzteres ist normalerweise sehr heftig, folglich sehr gefährlich und an einen Aufstieg dann nicht mehr zu denken … Oben angekommen hat dichter Nebel die Umgebung fest im Griff und ich bin erleichtert, rasch eine Mitfahrgelegenheit ausfindig machen zu können.´

 
 
 
 
 
 
 
 
 
Ausblick: Ausflüge am Wochenende – Kulturstätte

3 Kommentare:

  1. Wer möchte da nicht am liebsten sofort seinen Rucksack packen? So schön!
    Gitti

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    1. Du musst sowieso unbedingt die Marlene und überhaupt meine ganze Gastfamilie (und das sind nicht wenige haha) hier kennenlernen. Dann holen wir einfach ein paar Orte nach, die ihr bei eurem letzten Besuch ausgelassen habt ... (: <3

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    2. Ja, das klingt sehr verlockend.

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