Samstag, 30. August 2014

Höhenluft [Fortsetzung]

Ich besuche nicht nur den Amazonas [siehe letzter Blogeintrag], sondern auch das andine Hochland Ecuadors. Meinen ersten Halt lege ich in Baños ein, das ich, von meinem Heimatdorf aus, nach insgesamt zehn Stunden Busfahrt erreiche. Jene, bereits einmal von mir besuchte, Ortschaft [siehe "Weiterreise"] weckt aus zweierlei Gründen mein Interesse: Zum einen aufgrund der dort heimischen süßen Spezialitäten, die ich nach Österreich mitzunehmen gedenke, zum anderen liegt es an dem Ausflugsziel „Casa del Arbol“ (Baumhaus). Ein öffentlicher Bus, der diese Strecke zwei Mal täglich bestreitet, schlängelt sich die gebirgigen Ausläufer des Vulkans hinauf, vorbei an kleinen landwirtschaftlichen Betrieben. Sich aus dem Himmel stürzende Wasserfälle speisen Flussläufe und felsige Schluchten klaffen im sonnenbeschienenen Naturgrün auf. (Herr-der-Ringe-Landschaft!) Das Baumhaus ist über einen schlammig-steilen (gute Kombination!) Pfad zu erreichen; anbei befindet sich die wind-, wetter- und vor allem vulkantrotzende Hütte des Besitzers und eine freie Wiesenfläche. Im Hintergrund erhebt sich der aktivste Vulkan Ecuadors – der Tungurahua. 1999 ereignete sich die letzte vollständige Evakuierung Baños; alle paar Monate ist er (meist in Form von Stein- und Ascheregen, den der Wind mitunter bis nach Peru trägt) zu kleinerem oder größerem Grade aktiv.
 
 
 
 
 
 
Vulkan „Tungurahua“
 
 
 
Nächster Stopp: Quito [siehe "Quito"]. Aufgrund eines alkoholisierten und sowohl zahlungs-, als auch aussteigungsunwilligen Fahrgastes gibt es Anfahrtsschwierigkeiten. (Betrunkene Chauffeure, die die Straße entlangschlingern und später der Polizei beteuern, es sei alles in Ordnung; Ticketverkäufer, die ihre Meinungsverschiedenheit in einer Prügelei an der nächsten Haltestellte fortsetzen; Busfahrer, die ihre Kinder bis zur nächsten Straßenecke vorschicken, um sicherzugehen, dass dort keine Polizeikontrolle lauern würde … Alles schon erlebt!) Hüfthohe Gräser, dem rauen Klima trotzendes Gebüsch, Felsformationen, kräftig sprudelnde Flüsse und Wassergefälle, sowie Seen prägen die Aussicht aus dem Busfenster. Auf mehreren tausend Meter über den Meeresspiegel haben sich Thermalbäder angesiedelt und es gibt Möglichkeiten zum Angeln und/oder Fischessen (besonders beliebt: „trucha“, zu Deutsch Forelle). Momentaufnahme am Wegesrand: Tourist, der – eine Spezies, die leicht zu erkennen ist an ihren khakifarbenen ¾-Hosen und Safarihüten; in der Regel in Gruppen zu je zehn, fünfzehn Personen anzutreffen; in diesem Fall wie gebannt den Stamm eines x-beliebigen Baumes hinaufstarrend; ausgestattet mit Kameras (Canon oder Nikon, natürlich) die mit ihren Objektiven Fernrohren gleichen.


 
Vulkan „Cotopaxi“
 
 
 
Ibarra liegt nördlich der Hauptstadt, nahe der kolumbianischen Grenze. Die unter dem Namen „Ciudad Blanca“ (Weiße Stadt) bekannte Siedlung ist leider eine Enttäuschung für mich; die als Namensgeber geltenden weiß getünchten Kolonialhäuser im historischen Zentrum sind weder zahlreicher noch schöner als in anderen Städten des Hochlandes vertreten. Die Parks und Plätze mit angrenzenden Kirchen sind genauso hübsch wie unspektakulär.
 
Der Ort Otavalo [siehe "Und Umgebung"] liegt eine halbe Stunde von Ibarra entfernt und lockt mich, in Hinblick meiner baldigen Heimreise, aufgrund seines landesweit berühmten Samstagmarktes. Neben dem „Plaza Poncho“, dem Hauptplatz, sind auch die angrenzenden Gassen bis auf den letzten Quadratmeter mit Verkaufsständen und –zelten zugestellt. Auf Hochtouren wird hier feilgeboten, angepriesen, verkauft und gekauft, verhandelt und gehandelt … Bei meiner Ankunft bin ich angesichts des Angebotes so überwältigt, dass ich erstmals nur mit offenen Mund durch die Standreihen laufe. Nach dem ersten Kauf ist der Bann gebrochen; wie kann man sich auch dieser Vielfältigkeit an Kunsthandwerk entziehen: Taschen in allen Farben und Größen, Wollsocken, Handschuhe, Mützen, Pullover, Tücher, Schals, Decken, Teppiche … Schmuck aus den unterschiedlichsten Materialien, Skulpturen, Gemälde, verschiedenste Anhänger, Schatullen, Puppen … Beeindruckt bin ich aber nicht nur davon, sondern auch von den dort heimischen Indigenen, den Otavaleños, deren Stolz auf ihre Kultur besonders in der Art und Weise, wie sie sich zeigen und kleiden, zum Ausdruck kommt: Die Frauen, egal ob jung oder alt, tragen die Tracht: Stoffschlapfen, ein dunkler bodenlanger Rock, eine weiße Spitzenbluse, mitunter bunter Perlenschmuck und die zu einem Zopf gebundenen Haare mit einem farbenfrohen Band umschlungen. Die Babys werden in der Regel in Stoff gewickelt und am Rücken getragen. Viele Männer besitzen schwarzes, seidig glattes Haar, das zu einem hüftlangen Zopf geflochten ist. Auch erscheint mir das Quichua an keinen anderen Ort in Ecuador so präsent wie hier.

 
 
Laguna „San Pablo"
 
 
In der Sierra Ecuadors gibt es nicht nur viele Vulkane, sondern auch viele Seen. Mein Hauptinteresse gilt der Laguna „Cuicocha“, die im Krater eines Vulkans angesiedelt ist. In Seemitte befinden sich zwei Inseln, die Unterwasser jedoch miteinander verbunden sind; der Krater selbst misst in seinem Durchmesser 3000 Meter und besitzt keinerlei äußere Zugänge zu Flüssen bzw. in weiterer Folge zum Meer. Das Wasser erreicht eine Tiefe von 200 Meter und ist 4 bis 14 Grad kalt; nichtsdestotrotz wird hier alljährlich ein Schwimmwettbewerb ausgetragen. Que frio! Da ich nachmittags am Kratersee eintreffe und eine vollständige Umrundung fünf Stunden in Anspruch nehmen würde, bestreite ich lediglich einen kleinen Abschnitt. Die 3100 Höhenmeter und Kälte machen sich bald in Form von Erschöpfung, sowie Kopf- und Ohrenschmerzen bemerkbar. Mit tollen Ausblicken gesegnet, schließe ich meinen Besuch mit einer Bootsfahrt ab. Wir queren den schilfgesäumten Kanal zwischen den beiden Inseln, begleitet von Enten und Reihern. Abgesehen davon gibt es kein nennenswertes Tiervorkommen; da das Wasser sehr basisch ist, überleben hier keine Fische. Im aktiven (!) Krater sind Gas-Emissionen zu beobachten – tatsächlich sehe ich unter der Wasseroberfläche Blasen aufsteigen. Es ist ein ungewohntes Gefühl, in so einem Kratersee zu gondeln; die spiegelglatte dunkle Seeoberfläche, begrenzt von den steil aufragenden Kraterwänden, scheint ihr ganz eigenes Geheimnis zu beherbergen …


 
 
 
 
Ausblick: Verabschiedung – letzter Blogeintrag
 

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