Sonntag, 27. Juli 2014

Arbeitsresümee im Juni

Mein letzter Arbeitsmonat … Und auch wenn ich intensiv mit den Abschiedsgeschenken beschäftigt war, allerlei Aktivitäten zum letzten Mal machen wollte und mir sogar eine Liste angelegt hatte, mit den Dingen, die ich unbedingt noch mit den Abuelitos realisieren wollte, wurde mir erst am letzten Tag so richtig bewusst, dass es das nun wirklich gewesen war, das sich meine Zeit in der Fundacion endgültig dem Ende zugeneigt hat … Doch alles der Reihe nach. Auch im Juni verbrachte ich den Großteil meiner Zeit in Terapia Ocupacional, mit den Abuelitos werkelnd, malend, klebend, schneidend etc.
 
Anlässlich des „Día de la Familia“, dem ich mich im letzten Blogeintrag gewidmet habe, kam mir eine, wie ich finde, schöne Idee: Im Internet habe ich etwa handgroße Personenschablonen – Oma, Opa, Mutter, Vater, Mädchen, Junge, sowie Baby – zusammengesucht. Die Abuelitos hatten nun die Wahl, verschiedene Mitglieder ihrer Familie auszumalen; sei es nun die eigene Schwester, der Enkel oder eine Nichte. Im Zuge dieser Arbeit kamen wir rasch ins Plaudern – über die Familienplanung eines Sohnes, die Berufe der Geschwister, das Leben der Eltern …


 
 
 
 
 
Die Abschiedsgeschenke, die ich mit und für die Abuelitos geplant hatte, nahmen viel Zeit in Anspruch: Zum einen galt es, die, bereits im letzten Resümee angesprochenen, Karten für 40 Abuelitos und etwa 30 weiteren Personen fertig zu stellen – das bedeutete viel, viel Flechtarbeit mit Papierstreifen. Zusätzlich zu den Abschiedskarten, in die ich jeweils ein paar persönliche Worte schrieb, schoss ich mit jedem Abuelito ein Foto, um es den- oder derjenigen, aus farbigen Karton geklebt, als Erinnerung zu überreichen. Darüber hinaus formten wir aus einem Salz-Mehl-Wasser-Gemisch Sterne, die bunt bemalt und mit einem Wollfaden versehen, als Anhänger dienen.


 
 
Die Abuelitos waren fleißig am Hülsenfrüchten Schälen, Bohnen, Mais und Erbsen Entkernen, sowie Linsen Putzen/Durchsieben. All das wird im Garten angebaut oder erreicht als Spende die Fundacion. Auch beim Brotbacken war ich dabei – unglücklicherweise verließen sie reichlich angebrannt den Ofen. iQué pena!
 
Neben dem Erzählen von Geschichten und dem Singen von Liedern, übte ich mit ein einigen Abuelitos das Rechnen, sowie die Buchstaben und die Zahlen; letztere Tätigkeiten realisiere ich vorzugsweise am Nachmittag, wenn mir die Möglichkeit gegeben wird, mich mit lediglich einer Person an einen ruhigen Ort zurückzuziehen.
 
Das letzte Mal (Ganz schön deprimierend jene Phrase ständig im Kopf haben zu müssen.) ging es für mich nach Cuenca, zur allmonatlich abgehaltenen Ausstellung. In Begleitung einer rüstigen Abuelita verkauften wir „cubanitos con tinto“ (Sandwiches mit Kaffee) und „pan de Gualaceo“, ein bekanntes und beliebtes Brot aus einer Nachbarortschaft.
 
In meiner letzten Woche stieß auch nochmals Carmen, die Koordinatorin des Freiwilligeneinsatzes, zu uns hinzu, um mit mir und ein paar Angestellten der Fundacion die dritte und abschließende Evaluation durchzuführen.
 
 
Ausblick: Verabschiedung

Freitag, 25. Juli 2014

Día de la Familia

Mal schauen. Was stand bereits alles auf dem Programm? „Día de la Madre“, „Día del Padre“, sowie “Día del Nino”. Dann hatten wir auch noch “Día del Adulto Mayor” [siehe Blogeintrag "Día del Abuelito"] und “Día del Amigo”. “Día de la Familia” schließt nahtlos an diese Aufzählung an und wurde von uns Mitte Juni gebührend in der Fundacion gefeiert.
 
Am Tag davor richteten wir alles her; schleppten dutzende Bänke und Stühle in die Sporthalle (unser Austragungsort), schmückten die Bühne mit dahinter aufragenden Banner … Und da das alles, wie gewöhnlich, in letzter Minute geschah, verfielen wir bei all den noch zu erledigenden Einkäufen und Vorhaben etwas in Stress.
 
Samstags starten die Feierlichkeiten mit einer Messe. Wie immer gibt es Hilfe von auswärtigen Schülern und Schülerinnen, die unter anderem auch die Jause sponsern. Sehr gefreut habe ich mich, dass neben den aktuellen auch die früheren PraktikantInnen zugegen sind. (Damit wäre die Familie komplett. Haha.) Bei der Anzahl an Abuelitos – zwischen 200 und 250 – ist jedwede Unterstützung herzlich willkommen!
 
Neben Gesang, zum Besten gegebenen Anekdoten und Rätselsprüche, Bewegungsspiele, sowie ein paar obligatorische Ansprachen, unter anderem des Bürgermeisters, steht vor allem eines im Mittelpunkt: Tanz. Abuelitos von den „comunidades en el campo“ bieten, gekleidet in Trachten, landestypische Tänze dar, auch eine Gruppe Schülerinnen hat eine Choreographie einstudiert und darüber hinaus darf natürlich jeder der Lust hat, das Tanzbein schwingen … Und da wird teilweise Ausdauer bewiesen!
 
Fürs Mittagessen werden mannsgroße Töpfe mit Reis und Fleischeintopf angeschleppt – gibt es etwas, an dem es nie fehlt, dann ist es Essen!


 
 
 
Ausblick: mein letzter Arbeitsmonat – ein Überblick im Juni
 

Dienstag, 22. Juli 2014

Arbeitsresümee im Mai

Da ich aus familiären Gründen der Fundacion ein paar Tage fern blieb und auch mein Urlaub in jenen Monat fiel, präsentiert sich das Arbeitsresümee im Mai eher dürftig. Nichtsdestotrotz wurde in Terapia Ocupacional Kreatives vollbracht:
 
Da sowohl Mai als auch Juni ganz im Zeichen von Familie standen, malten die Abuelitos Zeichnungen mit typischen Motiven – Vater, Mutter, Kinder, Großeltern … - aus. Des Weiteren legte ich einen dicken Ordner an, in dem ich all die über das Jahr angesammelten Werke themenbedingt einordnete. Das traf sich mit der Putz- und Aufräumaktion, die wir in Terapia Ocupacional realisierten und die bereits bitter nötig gewesen war …
 
Auf Anfrage der Schwestern fertigte ich mit den Abuelitos einen breiten Schriftzug an, den wir in Kleinstarbeit mit bunten Papierkügelchen beklebten. Nun hängt ein AVE MARIA neben der Heiligen Jungfrau im Essenssaal. Halleluja!
 
Auch wenn ich es tunlichst vermied, daran zu denken, war das Ende meines Arbeitsvertrages – und der damit verbundene Abschied von den Abuelitos – mittlerweile in greifbare Nähe gerückt. Mit einer vagen Idee im Kopf – schließlich will das bei rund 40 Abuelitos und vielen Angestellten vorab geplant sein – startete ich mein Vorhaben Abschiedsgeschenke: Die Abuelitos halfen mir mit einer Flechtarbeit aus bunten Papierstreifen, die einiges an Fingerspitzengefühl abverlangte … mitunter waren wir so konzentriert bei der Sache, dass es mucksmäuschenstill war. Darüber hinaus flochten wir mit Wollfäden unterschiedlichster Farbe, Länge und Breite.
 
Anlässlich des „Día de la Madre“ (Muttertag) besuchten wir mit den Abuelitos eine Veranstaltung mit Gesang und Geschenkeaustausch im Colegio. Sonntags, also am eigentlichen Festtag, überraschte ich die Abuelitos mit selbstgebackenen Keksen in Herzform, die jeder in einer kleinen Tüte überreicht bekam.


 
 
Abgesehen von all dessen kamen natürlich auch Ballspiele, Bingo, Geschichtenerzählen etc. nicht zu kurz, doch dazu habe ich mich ja bereits zu Genüge in den vorangegangenen Resümees geäußert.
 
 
Ausblick: Día de la Familia – Festgelage in der Fundacion
 
 

Sonntag, 20. Juli 2014

Esmeraldas [Part Zwei]

… jenen Namen trägt die nördlichste Küstenprovinz Ecuadors, in der die Mehrheit der afroamerikanischen ecuadorianischen Bevölkerung ansässig ist.
 
Die Ortschaft Cojimies liegt auf einer Halbinsel; der Weg dorthin führt direkt am Meer entlang, mit Blick auf endlose palmengesäumte Sandstrände. Bei meiner Ankunft ist deutlich sichtbar, dass sich hierher nicht viele Ausländer verirren, nichtsdestotrotz fühle ich mich sogleich freundlich aufgenommen – kaum bin ich aus dem Bus gestiegen, nähert sich mir ein älterer Mann, um mich im Namen des Dorfes zu begrüßen und mir einen angenehmen Aufenthalt zu wünschen. Die Hilfsbereitschaft und auch Neugierde, die mir entgegen gebracht wird, setzt sich allerorts fort – sei es im Hostal, in den Geschäften oder im Internetcafé. Von einer Gruppe streunender Hunde begleitet, schlendere ich durch die Sandstraßen der Siedlung, auf der Suche nach einer Unterkunft – schließlich fündig geworden, drückt man mir dort neben Schlüssel, Seife und Handtuch, auch das Neue Testament in die Hand. Cojimies liegt an einem Ebbestrand; bei Flut ist dieser so gut wie nicht benutzbar. Über den abendlich einsetzenden Regen freue ich mich sogar – anders als in der Sierra ist Regen an der Costa nämlich eine erfrischende Abkühlung und beschwört keine Kälte hervor.


 
 
 
Nach einer etwas umständlichen Fahrt in drei Bussen und einem Sammeltaxi durch allertiefste und allergrünste Vegetation erreiche ich das fernab gelegene Dorf Mompiche. Während meines (länger als geplant währenden) Aufenthaltes mausert sich Mompiche zu meinem Lieblingsort an der ecuadorianischen Küste. Das liegt schon allein an der Architektur: mehrheitlich genütztes Baumaterial ist Holz, insbesondere Bambus, und grober Stein; Palmwedel überdachen Hauseingänge, Pflanzen ranken sich über Fassaden, Moskitonetze bauschen sich im Wind und Hängematten baumeln auf Balkonen. Neben dem dorfeigenen Strand, der sich entlang der gesamten Bucht erstreckt, besuche ich den „Playa Negra“, einen Kilometer Fußweg entfernt. Jener magische Ort hat seinen Namen wahrhaftig verdient – der Sand ist pechschwarz, was einen schönen Kontrast zu den roten Krebsen bildet, die über den Strand huschen. Wie fein geriebener Graphit fühlt sich der Sand unter meinen Fingern an und hervorbrechende Sonnenstrahlen lassen den Untergrund schimmern und glitzern. Einer Landstraße weiterfolgend, vorbei an affenbevölkerten Riesenbäumen, endet jene am Ufer eines Flusses. Portete nennt sich die Nachbarsiedlung, die sich auf einer dem Festland vorgelagerten kleinen Insel befindet. Was diese Insel zur Ruheoase Nummer Eins macht? Es gibt dort nichts weiter als Sand, Palmen, Meer und eine kleine Häuseransammlung.


 
 
 
 
Portete
 
 
 
 
 
 
Und weiter geht es, immer hinauf in den Norden. Nächsten Halt mache ich in Muisne. Nach einer kurzen Überfahrt mit dem Motorboot, hier gemeinhin als „lancha“ bekannt, lande ich auf der autofreien Insel, die mit ihren dreirädrigen, durch die Gassen düsenden Transportfahrzeugen ein ganz eigenes Flair versprüht. Eine schnurgerade Straße führt durch das Dorfzentrum von einer Inselseite auf die andere, wo sich der (zeitweise von Treibgut verschmutzte) Strand mit einigen Restaurants und Bars befindet. Nach dem Schließen erster Bekanntschaften, was (vor allem an der Küste) nicht schwer ist, da einem die Leute mit einer Herzlichkeit begrüßen, die nicht von dieser Welt ist, werde ich zu einer Kokosnussernte eingeladen. Mehrere Stunden lang klettert ein Junge, mit nichts als einer Machete und einem Seil zum Runterlassen der Ernte, eine Palme nach der anderen hinauf, während zwei ältere Männer die Früchte entgegennehmen. Es gibt Exemplare, die bis zu 30 oder gar 50 Meter hoch werden, und dem barfüßigen Kletterer merkt man die Anstrengung auch nach drei Stunden nicht im Geringsten an. Coco. Coco. Coco. Ein großes Thema oder vielmehr Geschäft! Handwerker nützen die Schale um von Ohrringen bis hin zu Lampenschirmen ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. Neben purem Kokoswasser oder –fleisch wird allerlei mit Kokosmlich gekocht – Spaghetti mit einer Tomaten-Kokosmlich-Soße, Reis verfeinert mit Gemüse und Kokosmilch … Que rico! Und manch einer versteht sich auch darauf, aus den feinen langgliedrigen Palmwedeln Tiere oder Kopfbedeckungen zu flechten zaubern.


 
 
Atacames überzeugt mich hingegen so gar nicht. Überrascht in einer richtigen Stadt gelandet zu sein, ist alles reichlich touristisch – unzählige Hotelkomplexe, Restaurants und Verkaufsstände säumen den mir wenig attraktiv erscheinenden Strand. Wie es hier wohl erst in der Hochsaison zugehen mag?
 
Esmeraldas ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und markiert, unweit der Grenze zu Kolumbien gelegen, das vorläufige Ende meiner Reise. Von mir nur angesteuert, weil von dort aus Busse ins zwölfstündig entfernte Cuenca abfahren, schlage ich die Wartezeit im Busterminal der Stadt tot. Esmeraldas lockt mit keinerlei Sehenswürdigkeiten; hinzu kommt eine Raffinerie, die seit der Stadterweiterung direkt im Wohngebiet zu liegen scheint und Hitze und Abgase mit ihrem beißenden Geruch anreichert. Umso mehr überzeugen mich die dort typischen süßen Spezialitäten mit viel Zucker, viel Kokos und vielen Nüssen; die „cocadas“, in Weiß oder Braun, sind eine davon („cocaderos“ nennen sich die landesweit bekannten Verkäufer).
 
 
Ausblick: meine Arbeit im Mai – ein Resümee
 
 

Dienstag, 15. Juli 2014

Ruta del Sol [Part Eins]

Ende Mai, mir eine kleine Auszeit von der Arbeit nehmen, statte ich der Küste Ecuadors einen Besuch ab. Während der Fahrt erlebe ich einmal mehr den beeindruckenden landschaftlichen und klimatischen Wechsel von Hochland und Küstengebiet [siehe Blogeintrag "Guayaquil"]. In der ruhelosen Metropole Guayaquil halte ich mich lediglich im Busterminal auf, der als der größte Südamerikas gilt – über mehrere Stockwerke hinweg starten in Minutentakt Busse in alle Himmelsrichtungen …
 
Mein erstes Ziel ist das Fischerdorf Puerto Lopez, das ich bereits vor einigen Monaten besucht habe [siehe Blogeintrag "Flaschenpost"]. Mit einer Hand am Steuer und der anderen am Handy – seiner Frau versichernd, rechtzeitig zum Abendessen zu Hause zu sein -, brettert der Busfahrer eine kurvenreiche Landstraße entlang, sich in waghalsigen Überholmanövern übend. Am Strand von Puerto Lopez wirbelt eine fußballspielende Gruppe Kinder Sandwolken auf, während Fischer ihre Netze auf Vordermann bringen und kreischende Möwen heimkommende Boote ankündigen. Und als sich alle in der Kirche zur Messe eingefunden haben, gibt es Stromausfall – aber nur keine Eile; bis sich die Zuständigen finden lassen, vergehen gut zwei Stunden, in denen die komplette Siedlung in Dunkelheit daliegt. Hupende Tuk-Tuk-Taxis mischen den sowieso schon chaotischen Verkehr gehörig auf und statt „Achtung kreuzendes Wild“, tragen hier die Verkehrsschilder Abzeichen von Schildkröten …
 
Strand „Los Frailes“ – Nationalpark Machalilla

 
 
 
 
 
 
 
 
 
Montecristi gilt als Kunsthandwerkszentrum, vor allem hinsichtlich der Sombreroherstellung. Abgesehen davon bietet die Kleinstadt eine hübsche terrassenförmig angelegte Parkanlage, die in ein Museum und Mausoleum mündet. Hier befindet sich die letzte Ruhestätte von Eloy Alfaro, der als Anführer der Liberalen Revolution als eigentlicher Befreier Ecuadors berühmt geworden ist.


 
 
Es geht weiter hinauf in den Norden, immer entlang der Küste. Bahia de Caraquez ist eine touristische Hafenstadt, deren Aussichtspunkt einen Rundumblick über sich weit brechende Wellen, eine von Wohnhäusern bevölkerte Landzunge und eine breite Flussmündung bietet. Die Strandpromenade liegt noch verlassen da; Mai gilt als „temporada baja“ und bei den vorherrschenden Temperaturen haben sich alle so weit wie möglich in den Schatten zurückgezogen, von Trägheit erfasst und mit Ventilatoren oder anderen Hilfsmittel einer frischen Brise hinterherhechelnd.
 
Eine Fahrtstunde entfernt liegt Canoa. Jenes Dorf bietet aufgrund eines stetig herrschenden Windes optimale Bedingungen zum Surfen und Paragliding. In den Genuss letzterer Aktivität komme auch ich: Kurzentschlossen nähere ich mich einem Paraglider, der gerade gelandet ist, und äußere mein Interesse, ebenfalls fliegen zu wollen. Er: „Ahora?“ Ich: „Porque no?“ So schnell kanns gehen. Beim Anlegen des Equipments flattern mir kurz die Nerven, aber sowohl beim Start, als auch beim eigentlichen Flug und der Landung am Strand habe ich nicht eine Sekunde Angst. Auf gleicher Höhe mit den Vögeln, die untergehende Sonne am Horizont, unter mir das Meer und ein kilometerlanger, sich in der Ferne verlierender Sandstrand … Es ist ein unbeschreiblich freies Gefühl!


 
 
 
 
 
 
 
Ausblick: Ecuadors Küste – Fortsetzung folgt …

Sonntag, 13. Juli 2014

Auf Schienen

Busse sind das Transportmittel Nummer Eins in Ecuador. Jedes noch so ferne Dorf, jede noch so kleine Häuseransiedlung wird im Normalfall von einem Bus angesteuert. Als Faustregel gilt 1 Dollar (umgerechnet etwa 0,70 Euro) pro Fahrtstunde; ein- und aussteigen kann man im Grunde an jedem beliebigen Ort. Ein Passagierlimit gibt es nicht – es werden so lange Mitfahrer aufgenommen, bis man sie in Gepäckfächer und unter den Sitzen zu verstauen beginnt. Die Frage, ob noch Plätze zur Verfügung stehen, wird immer bejaht – ist ja auch nicht gelogen; die Frage ist vielmehr, ob sie noch frei sind … Und erkundigt man sich, wann der Bus abfährt, lautet die Antwort in jedem Fall „In fünf Minuten!“ – egal, ob sich daraus noch weitere zwanzig oder dreißig Minuten Warterei ergeben. Bei Langstrecken erwischt man meist recht komfortable, moderne Busse, bei Kurzstrecken begibt man sich mitunter jedoch in halsbrecherische Gefährte, deren einzige Busähnlichkeit nur noch in dem Umstand besteht, dass sie auf Rädern über die Straße rollen … Was soll ich sagen? Ich liebe Busfahrten. In diesem Jahr habe ich so viele Stunden darin angesammelt, dass es für drei Leben reichen würde, doch ich werde es nicht müde. Klebe ich nicht mit der Nase am Fenster, um die vorbeiziehende Umgebung in Augenschein zu nehmen, findet sich immer ein netter Sitznachbar mit dem sich ein Gespräch lohnt.
 
Nun möchte ich auf ein ganz anderes Transportmittel zu sprechen kommen: Züge. Hier scheint eine interessante Entwicklung vonstattengegangen zu sein, die sich nicht nur auf Ecuador, sondern auch andere lateinamerikanische Länder (z.B. Argentinien) bezieht: Es gab eine Zeit, in der der landesweite Schienenverkehr recht gut ausgebaut war; darauf folgten jedoch massive Stockungen und Stilllegungen. Im Laufe der letzten Jahre starten abermals Bestrebungen, jenen Transportweg zu fördern. Nach wie vor ist er in Ecuador hauptsächlich touristischen Zwecken vorbehalten (und verhältnismäßig teuer), aber auch das soll sich ändern … Übrigens: Kommt die Sprache auf Europa, ruft das bei den meisten hier Assoziationen mit Zügen hervor.
 
An einem Wochenende im Mai fahre ich mit einer Gruppe Freiwilliger an die Küste, um dort an einer zweistündigen Zugrundfahrt teilzunehmen. Duran nennt sich die florierende Kleinstadt kurz vor Guayaquil, in der sich ein Bahnhof mit antiken Loks befindet. Da sich der Zug nur zwei Mal täglich in Bewegung setzt und es zwar Ampeln sowie Warnschilder gibt – all das aber im vorherrschenden Verkehrschaos gerne ignoriert wird -, werden wir von drei Polizisten auf Motorrädern begleitet, die den Zug durch das Stadtgetümmel manövrieren. Wir fahren durch ärmliche Wohnsiedlungen, die unter einer immerwährenden Hitzeglocke brüten; Abfall türmt sich nachlässig auf den Bordsteinen, der Fluss gleich einer braunen Brühe, Kühe weiden in Müllbergen und Hunde begrüßen uns mit kläffenden Gebell. Dies hinter uns lassend zieht sich die Strecke schnurgerade durch Reisfelder; zum Teil in sattgrün schimmernder Blüte stehend, zum Teil bewirtschaftet oder brach liegend. Die Räder von Traktoren pflügen sich schwerfällig durch das Wasser und Vögelkolonien besprenkeln als weiße Farbtupfer ein Meer an Halmen. Während der letzten Wochen hat eine große Niederschlagsmenge das Land heimgesucht; teilweise stehen die Häuser auf einsamen Inseln inmitten der Reisfelder, in deren Wasser sich die Sonne reflektiert. Flatternd stöben Reiher vor uns auf, Riesenleguane sonnen sich auf Felsgestein und schallendes Kinderlachen begleitet uns …


 
 
 
 
 
 
 
 
Ausblick: Sonne, Strand und Meer – Reise an die Küste